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Einstieg in Process Mining

„Process Mining ist eine innovative Disziplin unter den Big-Data-Technologien und macht es möglich, Abläufe aus Daten heraus zu analysieren und abzubilden. So erhalten Unternehmen umfassende Einblicke in ihre Prozesse“, sagt Gunther Rameseder von Celonis SE. In der Tat ist Process Mining bereits vielerorts im Einsatz, wird jedoch häufig hinsichtlich der Potenziale für das Prozess-Management unterschätzt. Richtig angewendet, schafft es eine hohe Prozesstransparenz.

Was ist Process Mining?
Was Process Mining von klassischer BI abgrenzt, ist die Darstellung von Datenmithilfe von Prozessflussdiagrammen. Die rekonstruierten Prozessdaten werden in einem Process-Mining-Tool grafisch insbesondere über solche Diagramme dargestellt. Dabei modelliert Process Mining kein spezifisches Prozessmodell hinein, sondern arbeitet diese nur heraus. Wer also beispielweise seinen Kanban-Prozess nicht in der technisch-validierten Prozessdarstellung wiederfindet, der verfügt tatsächlich nicht über die Umsetzung dieses Konzepts der Prozessorganisation. In vielen Tools lässt sich jedoch der rekonstruierte Ist-Prozesse mit einem theoretischen Prozessmodell (insbesondere der Soll-Prozess) abgleichen.

Einige Anbieter für derartige Tools sind Celonis, Signavio, ProcessGold, PAF, Fluxicon und Lana Labs. Diese unterscheiden sich stark voneinander im Hinblick auf Funktionsumfang, Cloud-Verfügbarkeit und Enterprise-Fähigkeit. Sie legen teilweise auch deswegen unterschiedliche Schwerpunkte, weil sie aus unterschiedlichen Richtungen kommen. Während beispielsweise Fluxicon im Jahr 2009 mit einer Desktop-Anwendung als einer der Process-Mining-Pioniere gestartet ist, setzt Signavio auf eine vollständig Cloud-basierte Suite, die Process Mining mit der Prozessoptimierung und -automatisierung verbindet und so schnelle und zielgerichtete Aktionen ermöglichen soll.

Technologie oder Analysemethodik
Process Mining ist ein Schlagwort, das bestimmte BI-Tool-Anbieter für sich vereinnahmen möchten, dabei ist Process Mining eine Analysemethodik, bei der es um die Rekonstruktion von Prozessen aus den Log-Daten und anderen Datenspuren in IT-Systemen geht. „In unseren Augen ist es besonders wichtig zu verstehen, dass Process Mining kein automatisiertes Zauber-Tool ist, sondern ein Analyse-Werkzeug, das auf der Anwenderseite ein Stück Erfahrung und Expertise erfordert,“ sagt Anne Rozinat von Fluxicon.

Auch wenn die Wortanlehnung offensichtlich ist, hat Process Mining kaum etwas mit Data Mining zutun. Letztere ist eine Methodensammlung für mathematische Algorithmen, die selbstständig Strukturen aus Daten herausarbeiten, die vorher nicht sichtbar waren. Interessant ist dabei jedoch, dass die mathematischen Data-Mining-Methoden nun auch in Process Mining Einzug halten -dazu aber später mehr. Gegenwärtig ist Process Mining ein Verfahren, das mindestens einen Data Engineer braucht, der Daten über SQL oder eine Programmiersprache wie Python in ein Protokoll zusammenführt.

Process Mining und Business Intelligence werden zusammenwachsen
Process Mining und Business Intelligence wurden bisher überwiegend getrennt voneinander besprochen und angewendet. Business Intelligence behandelt insbesondere die strukturierte Bereitstellung von zumindest tagesaktuellen Dashboards, die über die gegenwärtige Unternehmenssituation quantitative Auskunft geben. Business Intelligence ist klassischerweise rückblickend oder kann nahezu in Echtzeit über die gegenwärtige Situation berichten, so wie es auch bei Process Mining der Fall ist. Process Mining ist eine Teildisziplin der BI, die ihren Fokus nicht auf allgemeine KPIs, sondern auf prozessspezifische KPIs setzt.

„Heute ist Process Mining aus der Prozesswelt nicht mehr wegzudenken. In Zukunft werden wir eine viel stärkere Verzahnung und Integration mit ERP, BPM, RPA und weiteren Systemen sehen“, kommentiert Rudolf Kuhn, Mitgründer der ProcessGold AG.Einige ERP-System-Anbieter reagieren bereits auf den Trend und arbeiten an hauseigenen Event-Logs, beziehungsweise Process-Mining-tauglichen Protokollen, um die Hürden für die Prozesskontrolle zu senken.

Die äußere Erscheinung der Business Intelligence ist dabei gekennzeichnet von Dashboards, die über BI-Tools Informationen mit Tabellen, Balkendiagrammen und Histogrammen darstellen. Sie zeigen Daten in absoluten und relativen Werten sowie ihre Verteilungen. Typische Anbieter von BI-Tools sind QlikTech, MicroStrategy, Tableau und Microsoft mit dem derzeit beliebten Tool Power BI.

Der Tool-Anbieter PAF (Process Analytics Factory) setzt mit seinem Produkt PAFnow ganz auf das Tool Power BI, welches um ein PAFnow-Plugin ergänzt zu einem leistungsstarken Process-Mining-Tool wird. Dieser Plugin-Ansatz hat den Vorteil, dass der Anwender das verbreitete BI-Tool Power BI, welches zudem eine riesiger User-Community hat, direkt auch für Process Mining einsetzen kann.

Lana Labs setzt für die Integration auf offene Schnittstellen, um die nahtlose Einbindung in individuelle IT-Landschaften zu ermöglichen. Die Software von Lana Labs erlaubt es, durch ihre vielseitigen Schnittstellen Process-Mining-Ergebnisse leicht in die im Unternehmen bestehenden BI-Dashboards (Qlik, PowerBI, Tableau, etc.) zu integrieren.

Zukünftig sollen BI-Systeme auch um vorhersagende Analysen ergänzt werden und so einen – wenn auch leicht verschwommenen – Blick in die nahe Zukunft ermöglichen. Dazu gehören beispielsweise Forecasting-Modelle für Umsätze, Gewährleistungs-Inanspruchnahmen oder Einkaufsbedarfe.

Mit KI Anomalien in Prozessen erkennen
Process Mining wird zukünftig auch um Methoden aus der Data Science ergänzt. Ziel ist es, mit Machine Learning beispielsweise Anomalien in Prozessketten zu erkennen, die für Prozessoptimierung oder auch für Betrugserkennung eine Rolle spielen können. Aus Process Mining wird so Process Analytics. Bisher haben nur die Marktführer der Process-Mining-Tools erste Funktionen des maschinellen Lernens integriert.

Celonis entwickelt seine Process-Mining-Technologie konsequent weiter und setzt verstärkt auf Machine Learning. Mit Process Mining in Kombination mit Machine Learning sollen noch umfassendere Analyseeinblicke generiert werden können. Prozessanalysen verfolgen nicht mehr alleine das Ziel, vergangene Abläufe zu analysieren, sondern sollen auch zukunftsgerichtete Prognosen ermöglichen. So kann die Celonis Action Engine so konfiguriert werden, dass bei Prognose einer Abweichung von einer bestimmten Soll-Durchlaufzeit automatisch eine Handlungsaufforderung verschickt wird.

Aber auch die anderen Tool-Anbieter arbeiten an der Integration von Machine Learning. Über ihre R-/Python-Integration ermöglicht Lana Labs Nutzern, neben eigenen Machine-Learning-Funktionen auf vielfältige KI-Algorithmen zuzugreifen und Process Mining um eigene Entwicklungen zu erweitern. Auch PAF geht laut CEO Tobias Rother in diese Richtung: „In PAFnow führen wir künstliche Intelligenz mit modernen Process-Mining-Methoden erfolgreich zusammen, um Prozesse automatisch zu analysieren, gezielte Einblicke zu erhalten, Geschäftsprozesse zu überprüfen und die Leistung von Prozessen, durch das Anstoßen konkreter Aktionen aus PAFnow heraus, nachhaltig zu verbessern.“

Unabhängigkeit von Tool-Anbietern dank Data Engineering
Data Engineers entwickeln Data Warehouses und stellen Daten über bestimmte Kanäle in gewünschten Formaten bereit. Dies unterscheidet sie von Data Analysten, die Daten statistisch analysieren, und von Data Scientists, die Statistik noch umfassender anwenden und auch Modelle des maschinellen Lernens entwickeln, um Muster in Daten aufzuspüren.

Die Data Engineers spielen gerade zu Beginn der Process-Mining-Einführung die wichtigste Rolle. Sie identifizieren die relevanten Daten in den Datenbanken – das Daten-Backend der ERP-, CRM- und aller anderen IT-Systeme – und sie fusionieren und transformieren sie zu der zuvor erwähnten protokollartigen Struktur eines Event-Logs. Dieses Event-Log ist die Datengrundlage für die Process-Mining-Tools.

Dies erfolgt über Datenfluss-Ketten (ETL oder ELT), die den Strom von den Quellsystemen über die Fusion und Transformation bis hin in das Process-Mining-Tool automatisieren.

Die meisten Softwareanbieter für Process Mining versuchen viele Standardprozesse in den bekannteren ERP- und CRM-Systemen, wie etwa von SAP, Microsoft oder Salesforce, hinsichtlich der Event-Log-Generierung und der Datenbereitstellung als eigenen Standard als Connector zu implementieren. Diese Standard-Anbindung soll zum einen den Einstieg in Process Mining erleichtern und hat eine Plug-and-Analyse-Lösung zum Ziel. Zum anderen versuchen diese Anbieter aber auch, ihre Lösung zu etablieren und Einstiegshürden für einen möglichen Anbieterwechsel aufzubauen.

Unternehmen, die den Einstieg in die datengetriebene Prozessanalyse finden möchten, können über eigene Data Engineers die Datenbereitstellung auch selbst in die Hand nehmen. Betrieben, die recht individuelle Prozesse haben oder ein weniger verbreitetes ERP-System verwenden, bleibt ohnehin nichts anderes übrig, als auf Data Engineers zu setzen. Werden bei der Erstellung des Event-Logs einige Aspekte der Datenformate sowie der Bereitstellung dieser Daten beachtet, kann es universell verwendet werden. Die technische Organisation bleibt somit offen für jedes Process-Mining-Tool und macht sich von bestimmten Anbietern unabhängig.

Process Mining hat Zukunft
Während Process Mining und Business Intelligence zusammenwachsen, versucht auch die Gegenseite, nämlich ERP- und andere IT-Systeme, teilweise bereits einen Schritt in Richtung dieser Analysemethodik zu gehen und zumindest die Datenbereitstellung zu erleichtern. Ferner wird auch die Robotic Process Automation (RPA) mit Process Mining enger verzahnt werden.

„Der Einsatz von Process Mining ist für die digitale Transformation unerlässlich. Mit Process Mining erstellen wir beispielsweise digitale Zwillinge in heterogenen IT-Landschaften für unsere Kunden in der Produktion und minimieren Risiken und Aufwände von IT-System-Migrationen“, erklärt Thomas Baier, CEO der Lana Labs GmbH.

Aktuelle Anbieter für Process Mining, wie die in München ansässige Celonis, arbeiten bereits seit Jahren daran, Process Mining mit Business Intelligence zu verbinden. Auf der anderen Seite halten Anbieter etablierter BI-Tools, wie PAFnow mit Microsoft Power BI dagegen und nehmen Funktionen der visuellen Prozessdarstellung auf.

In jedem Fall ist es eine Analysemethodik, die für die nächsten Jahre immer wichtiger wird und in vielen Unternehmen bereits heute eine entscheidende Rolle in der Prozessoptimierung und im -Audit spielt. „Das Interesse an Process Mining wird nicht schwinden. Vielmehr wird es, zusammen mit Prozessmodellierung und -automatisierung, in Zukunft ein integraler Bestandteil jeder modernen Prozess-Management-Initiative sein,“ bewertet Gero Decker, CEO von Signavio, den Trend.

Der fachliche Einstieg in Process Mining
Für den Einstieg in Process Mining gibt es mittlerweile eine ordentliche Auswahl an Tool-Anbietern mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen. Welches Tool das richtige für ein Unternehmen ist, hängt stark von den erwarteten Anwendungsfällen, der Integration in das Unternehmen und in bestehende IT- und BI-Infrastruktur sowie von dem Anspruch an die Art der Analyse, etwa von kurzfristigen Projekten bis hin zum Langzeit-Monitoring von Prozessen mit Analyse in nahezu Echtzeit.

Die jeweiligen Tool-Anbieter bieten oft Trainings oder sogenannte Bootcamp-Events an, um an die Thematik heranzuführen. Eine neutralere Veranstaltung ist die ICPM Conference, die Process Mining als Analyse-Methode jährlich in den Vordergrund stellt.

Auch gibt es gutes Online-Material für den Ersteinstieg. Fluxicon veröffentlicht beispielsweise zum leichten Einstieg ein Process-Mining-Buch online, in dem das Handwerkszeug für diese immer noch sehr neue Prozessanalyse-Disziplin auch für Einsteiger vorgestellt wird.

Eine andere Möglichkeit ist das Hinzuziehen von Datenexperten, die bereits Erfahrung mit Process Mining haben und die Mitarbeiter parallel zur Einführung begleiten. Diese sollten idealerweise aus dem Fachbereich oder der Branche des Unternehmens kommen. Bestenfalls verfügen diese Personen über Erfahrung mit mehr als nur einem Tool-Anbieter, so dass von Anfang an unabhängige Lösungen gefunden werden können.